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Beitrag vom 14.05.2011
Zwischen uns das Paradies. DVD-Start am 13.05.2011
Kristina Tencic
Mit sehr viel Verständnis für das Seelenleben ihrer Charaktere beschreibt Regisseurin Jasmila Zbanic das Zerwürfnis zwischen einem jungen Paar, welches eigentlich in Liebe geeint ist, und doch ...
... die entstehende Kluft zwischen ihren Weltanschauungen kaum mehr überwinden kann.
Sie sind ein modernes Ehepaar. Luna (Zrinka Cvitesic) arbeitet als Stewardess, Amar (Leon Lucev) im Flughafentower, gemeinsam haben sie ihr Nest in einer kleinen Wohnung im Herzen Sarajewos errichtet, und wünschen sich nichts sehnlicher als ein Kind. Sie gehören sichtlich zu der Generation des Aufbruchs. Es ist die Generation, die versucht, nicht an gestern und noch nicht einmal an heute, sondern nur an morgen zu denken und sich dabei durch nichts aus der Ruhe bringen zu lassen.
Leider ist diese Aufbruchsstimmung mit den bitteren Erinnerungen an Krieg und Zerstörung unterlegt, die zwar nur gelegentlich ans Tageslicht treten, aber immer präsent sind. Das posttraumatische Stresssyndrom legt sich wie ein Schleier über die Nachkriegsgesellschaft, die heutzutage weder die damalige sozialistische Kollektivität noch jene Solidarität zu kennen scheint. Viele ertrinken ihre Erfahrungen im Alkohol, so auch der sich im Krieg verdienstlich gemachte Amar.
Als Amar bei der Arbeit mit einer Fahne erwischt wird, entlässt man ihn sofort. Desorientiert und enttäuscht vom Leben findet ihn ein ehemaliger Kriegskamerad und bietet ihm einen Job in einem wahabitischen Camp an, auf den er sich bereitwillig einlässt. Die radikal konservativ-islamische Gruppe gibt ihm Halt und das lange vermisste Gemeinschaftsgefühl, doch vermag sie nicht, eine Brücke zu der modernen Lebensanschauung seiner Frau zu schlagen. Obgleich Luna Versuche unternimmt, ihn zu verstehen und sich von Neugier getrieben auf seine Veränderung einlässt, wird die Kluft zwischen ihnen immer unüberbrückbarer. Sie muss sich entscheiden zwischen ihrem selbstbestimmten Leben und den religiösen Vorschriften, die sie ihm zuliebe befolgen müsste.
Der Film bewegt sich zwischen dem schonungslosen Individualismus, in dem sich jede/r seinen Weg durch die neue kapitalistische Ordnung bahnen muss, und dem Schutz und Rückhalt, die eine Gemeinschaft zu geben vermag. Aber nicht nur der Umbruch des politischen Systems in Bosnien-Herzegowina, der auf Kosten vieler Leben ging, sondern auch die traditionellen und modernen Geschlechterrollen geraten hier in Konflikt. Es ist indes kein islamkritischer Film, diese Thematik bedingt sich durch Jasmila Zbanic´s Heimat, sondern erzählt vielmehr vom Anziehen und Abstoßen von sich selbst und der/m anderen. Auch vom Hochhalten und Verschleiern der Weiblichkeit handelt der Film und natürlich von der Liebe. Einer Liebe, die stark und zerbrechlich zugleich ist.
Der ein oder anderen ist der Film bereits von der Berlinale 2010 bekannt, wo er erstmals international unter dem Originaltitel "Na Putu" (Unterwegs) präsentiert wurde. Nun kommt die Geschichte über die Wandlungen der Liebe mit dem etwas weniger trefflichen deutschen Titel "Zwischen uns das Paradies" in die Kinos. Die schon mit ihrem Debütfilm "Grbavica – Esmas Geheimnis" gefeierte Regisseurin Jasmila Zbanic setzt zu Recht erneut auf die Erfolgsschauspielerin Mirjana Karanoviæ, gibt jedoch vorrangig die Bühne frei für Zrinka Cvitesic und Leon Lucev, die sie wahrlich für sich erobern.
AVIVA-Tipp: Sehr einfühlsam und bewegend porträtiert die Regisseurin Zbanic das Zerwürfnis eines Paares, das unterwegs zu ihrem gemeinsam bewohnten Paradies den Pfad zu verlieren droht. Dabei gelangt sie zum Kern der Fragen über die Keile, welche sich scheinbar unaufhaltsam zwischen die (europäische) Gesellschaft treiben.
Zur Regisseurin: Jasmila Zbanic wurde 1974 in Sarajevo geboren. 1997 gründete sie die KünstlerInnenvereinigung und spätere Filmproduktion "Deblokada", mit der sie viele Kurz- und Dokumentarfilme sowie Kunstvideos produzierte - jüngst "Builders Diary" (2007) and "Participation" (2008). Zbanic erhielt für ihr Debüt "Grbavica - Esmas Geheimnis" den Goldenen Bären bei der Berlinale 2006. Ihre filmischen Arbeiten wurden bei zahlreichen internationalen Festivals und Ausstellungen erfolgreich gezeigt und prämiert. (Quelle: Neue Visionen Filmverleih)
Zwischen uns das Paradies
Originaltitel: Na Putu
Bosnien-Herzegowina / Deutschland / Österreich / Kroatien 2009
Buch und Regie: Jasmila Zbanic
Kamera: Christine A. Maier
Ton: Igor Camo
Schnitt: Niki Mossböck
DarstellerInnen: Zrinka Cvitesic, Leon Lucev, Mirjana Karanovic, Ermin Bravo, Marija Köhn, Nina Violic, Sebastian Cavazza
Eine Produktion von Deblokada in Koproduktion mit coop99 filmproduktion, Pola Pandora Filmproduktion, Živa Production
Spielzeit: 100 Minuten
FSK: ab 6 Jahren
DVD-Start am 13.05.2011
Technische Ausstattung
Originaltitel: Na Putu
Label: Neue Visionen
Anbieter: good!movies
Vertrieb: Indigo
EAN: EAN 4015698319187
Bestell-Nr.: Indigo DV 83191-8
Laufzeit: 99 min
Tonformat: Dolby Digital 2.0 & 5.1
Bildformat: 2,35:1 in 16:9
Sprachen: Deutsch, Bosnisch. Untertitel: Deutsch
Ländercode: 0
www.zwischenunsdasparadies.de
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